BVR – steht die genossenschaftliche Selbstverwaltung zur Disposition?

  Uncategorized

GenoLeaks. Der Personalwechsel in der Führungsspitze von drei der vier  genossenschaftlichen DGRV Prüfungsverbänden spricht für sich. Auch die intern diskutierte Umstrukturierung und Auslagerung der Bankenprüfung sorgt bei den genossenschaftlichen Prüfungverbänden  für Unruhe und Verunsicherung. Im Rahmen der genossenschaftlichen Selbstverwaltungsorganisation sollte der BVR,  als Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken und übergeordneter Dachverband, eigentlich  die Interessen der angeschlossenen Banken vertreten. Nach sorgfältiger Interpretation der genoleaks vorliegenden Informationen stehen offensichtlich die Eigeninteressen des „genossenschaftlichen“  Bankenverbands im Vordergrund.  Wie glaubwürdig ist der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken?

Wir sind Strategieführer und Impulsgeber in der genossenschaftlichen FinanzGruppe….
Wir garantieren die Stabilität und fördern die Zukunftsfähigkeit…
Wir vertreten die Interessen unserer Mitglieder…
Wir handeln wertschätzend, flexibel  und fühlen uns der Vielfalt verpflichtet…

Das sind die Slogans mit denen sich der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) auf seiner Homepage schmückt.
Auch mit jenem Zitat: 

„Kreativität ist ein gefragtes Gut… Mehr denn je ist es auf Seiten vieler Unternehmen erwünscht, Dinge gegen den Strich zu denken, neue Ideen auszuprobieren, gewohnte Strukturen aufzubrechen… Gute Einfälle sind gefragt, neue Methoden. Am liebsten schnell, am liebsten sofort anwendbar.“

Die Manager der Südthüringer VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden nehmen derart Aufforderungen sehr ernst. Erfolgreich. Ihre Bilanzen in Zahlen:
2012/490 Mio. Euro; 2017/821 Mio., 2019/1.081 Mio., 2020 dann 1.194 Mio. Euro.
Die Prüfer des Genossenschaftlichen Prüfungsverbandes e.V. (PDG) kommt in ihren Berichten unterm Strich immer zum selben Fazit:  Alles ist im grünen Bereich. Tendenz weiter steigend.

Aber wie so oft klaffen Schein und Sein weit auseinander. Statt wie versprochen Beifall und Lob von den BVR-Granden aus Berlin zu bekommen, haben die Südthüringer VR-Bank-Leute nun Probleme am Hals. Am 19. Januar 2021 bekam der Vorstand der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden Post von der Sicherungseinrichtung des BVR.
Der Inhalt des Schreibens: 

„Vorliegend wird eine Sonderprüfung Ihres Instituts angeordnet. Die Prüfung soll der Sicherungseinrichtung des BVR ermöglichen, das von Ihrem Institut betriebene Geschäft umfänglich im Hinblick auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten aus § 6 SE-St zu bewerten…“ 

Die Begründung für diese außergewöhnliche Maßnahme lautet: 

„Auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen kann nicht sicher eingeschätzt werden, ob Ihr Institut über ein angemessenes Planungs-, Steuerungs- und Überwachungssystem verfügt, das der Art und dem Risikogehalt der eingegangenen Geschäfte entspricht…“ Und weiter: „…Das von Ihrem Institut betriebene Kredit- und Beteiligungsgeschäft, u.a. Profifußball… ist in Teilen unüblich und kann Risiken begründen…“

Das wirft Fragen auf. Andere Prüfer beurteilten und beurteilen das über die Jahre hinweg anders. Sowohl der die VR-Bank alljährlich kontrollierende zuständige PDG als auch die von PWC- und E&Y-Profis gefertigten Gutachten und Prüfungen bescheinigen den Südthüringer Bankern saubere Arbeit. Und zwar in allen Bereichen: Immobiliengeschäft, Engagement für nachhaltige Energiegewinnung, Kreditwesen, regionale Landwirtschaft u.a.. Diese Berichte sind sowohl der BaFin als auch dem BVR bekannt, der dennoch festlegte:
„Mit der Prüfung haben wir die Deloitte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt…“
Warum?

Bankvorstand Stefan Siebert kommt in einem Interview mit der Südthüringer Zeitung zu folgender Erklärung:
„Weil wir zu erfolgreich sind. Wir haben diese kleine Südthüringer Bank innerhalb weniger Jahre – relativ gesehen – unter die besten Zehn der VR-Banken in Deutschland geführt. Unsere Bilanzsumme hat die Grenze von einer Milliarde Euro längst überschritten…Dieser Erfolg macht andere neidisch. Auch in unserem eigenen Verband…“

Siebert macht das an einem Beispiel fest: „Wir schafften es damals mit unserem Kreditengagement im europäischen Spitzenfußball in die Football-Leaks. Daraufhin haben wir diesen Kredit abgegeben, um uns nicht länger angreifbar zu machen. Und nun raten Sie mal, wer diesen Kredit übernommen hat? Eine andere VR-Bank, deren Vorstand im Verbandsrat des BVR sitzt. Das alles zeigt mir: Es geht bei all dem…um Einfluss und Macht.“
Sein Fazit: „Mit unseren Geschäftsideen gelten wir als Rebellen im Bundesverband, unsere Mitglieder sagen dazu schlicht: Vorreiter. Mit den immer neuen Anschuldigungen sollen wir auf Linie gebracht werden…“

In einem Interview im Insiderportal „Bank intern“ legte Siebert unlängst noch einmal nach:
„Ich habe mehrere Versuche unternommen, mit unserer BVR-Präsidentin ein Gespräch zu führen. Bislang hat es nicht einmal eine Absage gegeben.
Was mich betroffen macht, sind die Versuche eines Mitarbeiters des BVR, mich persönlich zu diskreditieren. Besagter Prüfer hat bspw. unseren AR-Vorsitzenden vor einer Mitgliederversammlung … aufgesucht, um ihn dazu zu bewegen, die Tagesordnung zu ändern, um mir die Aussprache mit den Mitgliedern unmöglich zu machen…“

Dazu muss man anmerken:
Erstens: Dass VR-Bank-Vorstand Stefan Siebert aus „Kloß- und Bratwurstregion Südthüringen hinterm Berg“ bei der BVR-Chefin Marija Kolak aus Berlin schwieriger ein Entree bekommt, als beispielsweise sein Vorstands-Kollege Carsten Jung von der Berliner Volksbank einen Privat-Termin zum Date beim Essen in der Hauptstadt, ist vermutlich schon rein menschlich erklärlich. Schließlich haben die beiden Betriebswirte Kolak und Jung gemeinsame Wurzeln in besagter Berliner Genossenschaftsbank. Marija Kolak wechselte von dort 2012 in die Kommunikationsabteilung des BVR und Jung ist in der Mandatsperiode 2020 bis 2022 auch im Verbandsrat des BVR zu finden. Kurzum: Beide haben es in relativ kurzer Zeit in der Hauptstädtischen Banker-Blase rasch bis ganz nach oben geschafft. Schon allein das könnte sie bei einem guten Essen im Edelrestaurant Borchardt in der Berliner Französische Straße bei einem guten Rotwein verbinden.

Und zweitens – Szenenwechsel: Der im Interview benannte und vom BVR vorgeschickte Prüfer spielt nach unseren Recherchen auch in einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der BVR Sicherungseinrichtung und der Bank eine sehr spezielle Rolle. Denn er ist es, der im Auftrag des BVR die Zusammenarbeit mit den Deloitte-Leuten koordiniert und deren Arbeit – verständlich – arbeitgeberloyal bewerten muss. Ach hätte er es doch besser ein wenig pfiffiger getan! Denn die Deloitte-Leute kamen zu einem Prüfbericht, den er nun, vermutlich schon um seiner selbst Willen, verteidigen muss und der von den Südthüringern clever und scharf juristisch attackiert wird.

Auf fast 150 Seiten werfen die Anwälte der Bank den Prüfern von Deloitte handwerkliche Mängel vor und halten mit Gutachten anderer unabhängiger WP-Gesellschaften gegen.
Und (!): Die VR-Bank-Anwälte kommen vor allem zu dem Vorwurf der Befangenheit – u.a. weil die Ergebnisse wegen Vorliegens eigener finanzieller Interessen von Deloitte (Anm.: Die WP-Gesellschaft prüft zum Beispiel auch den auftraggebenden BVR) Objektivität vermissen lassen.
Ein Anwalt der Südthüringer Bank kommt in seiner Einschätzung sogar zu dem bitterbösen Vorwurf, dass es sich hier um ein „Gefälligkeitsgutachten“ handelt. Besonders pikant: Im diesem Kontext hat die Bank zudem gegen einen Mitarbeiter des BVR sowie weitere für den BVR handelnde Personen Strafanzeige wegen Abgabe von  falschen Eidesstattlichen Versicherungen erstattet. Sie sollen vor Gericht etwas beeidet haben, was sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnten. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt – derzeit u.a. unter dem Az. 233 Js 3671/21 – in dieser Sache.

Der Fairness halber dazugesetzt: Umgangssprachlich hört man ja oft das Sprichwort „vor Gericht und auf hoher See liegt das Schicksal des Menschen in Gottes Hand“. Sei´s halt drum. Bleibt also abzuwarten, wie diese unerquickliche Geschichte alsbald allesamt ausgeht.

Doch fest steht, dass ein derartiger, nun auch vor Gericht anhängiger Konflikt für den Auftraggeber BVR zumindest doch der Anlass sein sollte, den Gesamtsachverhalt auch einmal unter dem Aspekt der im eigenen Haus geltenden Compliance-Grundsätze zu überprüfen. Schließlich geht es neben den inhaltlichen Differenzen um sehr viel Geld. Geld, das Genossenschaftmitglieder – und, dies nur nebenher, keine BVR-Mitarbeiter! – erwirtschaftet haben. Denn Sonderprüfungen müssen schließlich – von wem auch immer – im sechsstelligen Bereich bezahlt werden. Schauen wir also mal, was die BaFin, als oberste deutsche Aufsichtsbehörde dem Finanzminister unterstellt, zu all dem zu sagen hat. Bekannt ist: Die zuständigen Mitarbeiter dort kennen den Sachverhalt und die Akteure und nun also auch die unterschiedlichen Rechtspositionen. Und sie scheinen, wie es heißt, hinter den Kulissen wenig amüsiert. Kein Wunder: Welche Bundesbehörde – mit gewiss weitaus größeren Sorgen – lässt sich schon gern von einem Verband, wegen eines im Grunde relativ kleinen Konflikts zwischen Südthüringen und Berlin vor den Karren spannen…

Eins noch: Die diesbezügliche Nachfrage eines Journalistenkollegen bei der Abteilungsleiterin Kommunikation des BVR dazu, wurde – wie in diesem Fall übrigens einmal nicht wie bei solchen Anfragen erwartet – wie folgt ritualisiert beantwortet:
„Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anfrage an den BVR. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass wir zu Belangen unserer Sicherungseinrichtung öffentlich nicht Stellung nehmen. Mit freundlichen Grüßen…“
En passant: Fragen Sie mal bei Ihrer Bank nach, ob die sich an interne Compliance-Regeln halten oder zum einfacheren Verständnis auch ans Bankgeheimnis.
Bei so einer abweisenden Antwort würden Sie mit großer Sicherheit ganz rasch das Institut wechseln…

Nachsatz: Wie heißt es doch im Selbstbild des BVR auf der zu Eingang im Artikel bemühten Homepage auch:
„Wir stehen für Transparenz, Offenheit und Integrität.“